Ein Erfahrungsbericht oder: Wie sieht eigentlich so eine Eins-zu-Eins-Beziehung aus?

Ein Bericht von einem StuBdi für alle Stubdis und diejenigen, die sich für einen Generationsaustausch und ein besseres Miteinander in unserer Gesellschaft interessieren.

Wie sieht eigentlich so eine Eins-zu-Eins-Beziehung aus? Das fragen sich vermutlich die meisten von Euch, wenn sie auf den Studentischen Besuchsdienst und seine Angebote stoßen. Als ein aktives Mitglied des StuBdi bin ich schon seit fast anderthalb Jahren in einer solchen Beziehung und möchte euch auf diesem Weg von meinen Erfahrungen berichten.

Im Frühjahr 2014 bekam ich mittags vor der Mensa einen Flyer in die Hand gedrückt. Darauf abgebildet ein älterer Mann in schwarz-weiß, der traurig in die Ferne blickte. Gleichzeitig war dieses Bild eine Einladung zur Einführungsveranstaltung des Studentischen Besuchsdienstes e.V., der sich kurz zuvor gegründet hatte. Der Verein beabsichtigt sich für einen besseren Austausch zwischen älteren Menschen und jungen Leuten vor Ort, also zum Beispiel in Altenheimen, einzusetzen. Schon länger hatte ich nach einer solchen Möglichkeit mich konkret zu engagieren Ausschau gehalten, also entschloss ich mich der Einladung zu folgen und war bald darauf StuBdi-Neuling. Kurze Zeit später wurde ich dem Sankt Lamberti Wohnheim am Aasee zugeteilt und sollte mich mit der Pflegedienstleitung für ein Kennenlern-Treffen in Verbindung setzen, was ich auch tat.

Als ich das besagte Wohnheim das erste Mal betrat, entsprach der erste Eindruck in etwa meinen Vorstellungen von einem Altenheim. Es war sehr still, man sah vor allem alte Menschen und ihre Pfleger und auch die Zeit schien in dem Haus stehen geblieben zu sein. Trotzdem gab man sich Mühe den älteren Leuten ein wenig Abwechslung zu verschaffen und überall hingen Fotos oder selbstgebastelte Dekoration. Der Pflegedienstleiter des Heims begrüßte mich herzlich und wir unterhielten uns sowohl über meine Motivation als auch über den Heimalltag. Insgesamt freute er sich sehr darüber, dass nun auch Studenten den Kontakt zur älteren Generation suchten. Anschließend bekam ich noch eine Führung durch das gesamte Heim, bei der ich feststellte, dass man sich schon Einiges einfallen ließ, um den Bewohnern ein schönes Wohnen zu ermöglichen.

Schließlich wurde ich der mittlerweile 98-Jährigen Dame vorgestellt, die ich bis heute besuche. Der Pflegedienstleiter hatte mir bereits berichtet, dass sie schon zuvor von Studenten besucht worden sei, mittlerweile komme aber niemand mehr. Ich war sehr gespannt und gleichzeitig aufgeregt und fühlte mich etwas unwohl. Aber Frau H. freute sich wahnsinnig, dass ich sie nun regelmäßig besuchen wollte und fing gleich an zu erzählen, was mir die Kontaktaufnahme ungemein erleichterte. Die ersten Besuche waren noch ein wenig verhalten, weil man sein Gegenüber noch nicht so gut einschätzen konnte. Je öfter ich jedoch kam, desto vertrauter wurden wir uns. Frau H. kann leider sehr schlecht hören, dafür ist sie geistig noch voll da und ist weitgehen selbstständig. Da sie bereits auf die 100 zugeht, hat sie in ihrem Leben schon unglaublich viel erlebt und weiß viel zu berichten.

Nach einer Zeit entdeckte ich, dass Frau H. gerne liest. Da die Bücherei des Heims leider nicht allzu viel Abwechslung bot, brachte ich ihr daraufhin immer mal wieder neuen Lesestoff mit. Heute bin ich Mitglied bei der Stadtbücherei, denn mein Bücherbestand reichte gerade mal für ein paar Wochen.

Doch wie sehen unsere Treffen eigentlich aus?

Meist fahre ich einmal in der Woche nachmittags zum Altenheim und besuche Frau H. für eine bis zwei Stunden, während der Kaffeezeit. Dann sitze ich auf einem Stuhl neben ihrem Sessel und sie berichtet mir von den neusten Ereignissen im Heim oder in ihrer Familie, den Fernsehnachrichten oder ihren Büchern. Manchmal erzählt sie auch von früher als sie noch jung war und von ihrem früheren Alltag. Währenddessen trinken wir eine Tasse Kaffee. Ab und zu fragt sie mich nach meiner Meinung oder möchte etwas von mir wissen. Ich antworte ihr auch bereitwillig und sehr laut, damit sie mich verstehen kann. Leider gelingt das aber nicht immer direkt, aber notfalls geht’s auch mit Händen und Füßen. Ab und zu besuche ich auch die Veranstaltungen im Heim mit ihr, wie zum Beispiel das Lichterfest oder das Sommerfest. Dann sind alle Heimbewohner versammelt. Sie essen und trinken zusammen und können Familie und Freunde dazu einladen.

Wenn ich Semesterferien habe und nicht in Münster bin oder irgendetwas anderes dazwischen kommt, schreibe ich Frau H. meistens einen kleinen Brief oder eine Karte zwischendurch. So weiß sie wo ich bin, was ich mache und wann ich wiederkomme. Das Wissen über meinen Verbleib scheint ihr mittlerweile sehr wichtig zu sein und sie bedankt sich auch nach anderthalb Jahren immer noch jedes Mal herzlich für meinen Besuch mit einem langen Händedruck und strahlendem Lächeln.

Allein für diesen Moment haben sich die zwei Stunden Zeitaufwand schon hundertfach gelohnt. Diese Dankbarkeit zeigt mir immer wieder, wie wichtig es ist, dass ältere Leute jemanden zum Zuhören und Sprechen haben. Menschen, denen die Ansprache im Alltag fehlt, ziehen sich meist zurück und geben sich nicht selten innerlich irgendwann auf. Auch das kann man immer wieder im Altenheim beobachten.

Deshalb sehe ich die Arbeit des Studentischen Besuchsdienstes als besonders bedeutsam an. Wir wenden ein paar Stunden in der Woche auf und retten einer älteren Person eventuell ihren ganzen Tag durch diesen verhältnismäßig kleinen Aufwand. Natürlich kann man nie vorhersagen, ob es immer so reibungslos läuft wie es bei Frau H. und mir der Fall ist. Ein Versuch ist es aber allemal wert. In diesem Fall ist aus einer anfänglichen „Eins-zu-eins-Beziehung“ mittlerweile eine echte Freundschaft geworden.

Marie-Sophie

Mitglied seit Frühling 2014

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